Auf einen Film mit Ewan McGregor kann man sich immer ganz besonders freuen. Der Schotte, der nicht erst einmal einen Oscar verdient gehabt hätte (seine Darstellung des drogenabhängigen Renton in Trainspotting ist bis heute eine der besten darstellerischen Leistungen, die es je gegeben hat) und in Filmen wie Young Adam, Moulin Rouge, Big Fish oder Velvet Goldmine zeigen durfte, dass er zu den besten seines Faches gehört, spielt in Roman Polanskis lang erwartetem Film Der Ghostwriter die namenlose Titelfigur, den Ghostwriter des ehemaligen britischen Premierministers Adam Lang (diabolisch: Pierce Brosnan), der die Memoiren von eben diesem verfassen soll. Zuvor kam der letzte Ghostwriter Langs auf mysteriöse Weise ums Leben. Nach und nach entdeckt der junge Autor Ungereimtheiten im Leben des Politikers, der der Anstiftung zum Völkermord bezichtigt wird.
Polanski versteht es, einen gradlinigen, schnörkellosen Kriminalfilm auf die Beine zu stellen, der schon gewisse Grundzüge eines Film Noir enthält: Trist, schaurig, unangenehm ist die Atmosphäre, Spannung wird durch einen Hauch von "Nichts" erzeugt, nicht durch Schockeffekte oder große Actionszenen. Überhaupt gibt es nur einmal im zweistündigen Film so etwas wie "Hektik", eben eine Art Actionszene: Der Ghostwriter wird während seiner Nachforschungen von einem Auto verfolgt und flüchtet auf eine Autofähre. Schnell merkt man, dass Polanski hier keinen Actionthriller drehen wollte, sondern einen Krimi, der auf sein Ziel stets fixiert ist: Wer spielt falsch und gibt nur vor zu sein, wer er gar nicht ist. Und das gelingt dem Oscarpreisträger (Der Pianist, Frantic) auch bestens: Quasi in den letzten fünf Filmminuten kommt die überraschende Wendung in der Geschichte. Die wirkliche Pointe des Films ist dann aber sogar die allerletzte Einstellung. Hier beweist Polanski Größe und Mut - vermutlich jeder andere Filmemacher hätte hier eine ganz andere Schlusseinstellung verwendet.
Nicht nur McGregor und Brosnan spielen sehr gut (und das muss man sich natürlich auch mal überlegen: Den schleimigsten James Bond als gehassten britischen Premierminister zu besetzen ist schon ein großartiger Schachzug) - aber auch der Rest der tollen Besetzung von Der Ghostwriter kann sich sehen lassen: Olivia Williams (An Education, Dollhouse) spielt Langs undurchsichtige, attraktive Ehefrau, die den Ghostwriter bezirzt, Kim Cattrall (Sex and the City) spielt die Assistentin des Premiers als zickige Geliebte, dazu hat Tom Wilkinson (Michael Clayton, RocknRolla) wie immer einen routinierten Auftritt (und beweist, dass er in jedem zweiten britischen Film zu sehen ist) und Westernikone Eli Wallach (Zwei glorreiche Halunken, Die glorreichen Sieben) feiert wirklich mit 85 Jahren sein Comeback, nachdem er grade erst mit New York, I love you auf der Leinwand zu sehen war.
Roman Polanski versteht es geschickt, die deutschen Drehorte optimal zu nutzen: Gedreht auf Usedom und Sylt sowie auf dem Strausberger Flughafen in Berlin und den Babelsberger Filmstudios wirkt die Landschaft stets trist und grau, das Wetter ist meistens schlecht und die Stimmung bedrückt. Die so schöne Aussicht auf das weite Meer (das die Atlantikküste darstellen soll) steht dabei im Gegensatz zu dem hässlichen Steinblockhaus, das mehr wie ein Gefängnis als ein Strandhaus zum Entspannen wirkt. Und tatsächlich ist es auch eine Art Hochsicherheitstrakt, darf doch das Manuskript der Memoiren Langs nicht aus dem Arbeitszimmer entwendet werden.
Dass Der Ghostwriter an sich recht sparsam mit rasanten Höhepunkten ist, macht den Film gerade erst so gut: Atmosphärisch dicht, toll gespielt und wunderschön bebildert liefert Roman Polanski einen routinierten, sehr interessanten Kriminalfilm ab, den man vermutlich mehrmals sehen muss, um die ganze Aussagekraft zu entdecken. In jedem Fall hält er, was er verspricht: Eine undurchsichtige Geschichte, bei der man am Ende immer noch nicht so wirklich genau weiß, woran man ist. Eben so mysteriös wie ein Geist.
★★★★☆
Originaltitel: The Ghost Writer F/D/UK 2010 | 128 Minuten | Kinowelt | Kinostart: 18.02.2010 | FSK 12
Regie: Roman Polanski | Drehbuch: Roman Polanski & Robert Harris | nach dem Roman von Robert Harris | Kamera: Pawel Edelman | Darsteller: Ewan McGregor, Pierce Brosnan, Olivia Williams, Tom Wilkinson, Kim Cattrall
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